Fasten oder nicht? Andacht zum 20.2.2015

Na, Festtagslaune? Feierstimmung? Für die Karnevalisten ist ja seit Aschermittwoch alles vorbei. Und für die Christen fängt etwas wenig Feierliches an: die Passionszeit an, Jesu Leidenszeit. Die Katholiken sagen meistens: „Fastenzeit“. Manche Protestanten fasten auch. „Sieben Wochen ohne“. Ohne was? Ohne etwas, wovon Sie den Verdacht haben: „Das ist mir ZU lieb! Das ist mir ZU wichtig!“

Also – erste Frage: Fasten Sie? Nicht zum Abnehmen, Entschlacken, Heilfasten, sondern: Fasten Sie aus Glaubensgründen?

„Aus Glaubensgründen“ – vielleicht: Mehr zu sich und zu Gott kommen. Falschen Abhängig­keiten auf die Schliche kommen. Oder um – ansatzweise – mit Christus zu leiden. Oder was würden SIE sagen? Was wäre für SIE ein guter Grund zu fasten? (…)

Nun die zweite Frage: Ist Jesus da? Jetzt und hier? Bei Ihnen? Unter uns? Und: „in der Welt“, wie man so sagt?

  • Vielleicht haben Sie ein klares „Ja“. Als Christin oder Christ pflegen Sie täglich Ihre Beziehung zu Jesus, Sie sind erfüllt von ihm. Vielleicht ist er für Sie in der Gemeinde und im Gottesdienst „mitten unter uns“. Vielleicht besonders im Abendmahl. Vielleicht entdecken Sie ihn in den Menschen, die gerade Not leiden und wenig Beachtung finden – in seinen „geringsten Schwestern und Brüdern“, wie er es gesagt hat. Oder in Menschen, die zu IHNEN gut sind, wenn SIE gerade in Not sind.
  • Oder Sie haben ein klares „Nein“. Sie fühlen sich wie die Jünger im Seesturm: Keinen festen Grund unter den Füßen, es stürmt und schaukelt, es geht drunter und drüber. Der ganze Kahn droht unterzugehen, und Sie mit. Von Jesus weit und breit nichts zu sehen, nichts zu hören, nichts zu spüren. Vielleicht schläft er irgendwo – aber hier, wo er so dringend nötig wäre, ist er nicht. Vielleicht genügt Ihnen auch schon der Blick in die Tagesschau, um zu sehen: So kann NICHT die Welt aussehen, in der Jesus da ist.
  • Oder Sie haben ein „Manchmal“. Solche „Ja“-Momente blitzen immer mal auf – aber dann verblassen sie auch wieder, werden überlagert von all dem, was Sie belastet. Oder solche Momente werden erdrückt und an den Rand geschoben vom alltäglichen Allerlei. Oder Ihr „Ja“ wird dadurch angesägt, dass Sie die ganze Sache mit Jesus intellektuell bezweifeln.

So, und nun die Geschichte, die beide Fragen miteinander verbindet:

Da kamen die Jünger des Johannes zu ihm und sprachen: Warum fasten wir und die Pharisäer so viel und deine Jünger fasten nicht? Jesus antwortete ihnen: Wie können die Hochzeitsgäste Leid tragen, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Es wird aber die Zeit kommen, dass der Bräutigam von ihnen genommen wird; dann werden sie fasten.
Niemand flickt ein altes Kleid mit einem Lappen von neuem Tuch; denn der Lappen reißt doch wieder vom Kleid ab und der Riss wird ärger. Man füllt auch nicht neuen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißen die Schläuche und der Wein wird verschüttet und die Schläuche verderben. Sondern man füllt neuen Wein in neue Schläuche, so bleiben beide miteinander erhalten. (Matthäus 9, 14-17)

„Warum fasten wir und die Pharisäer so viel?“ Diese Frage hätten die Johannes-Jünger sich besser selbst beantwortet, statt sie Jesus zu stellen.
Warum fasten? Warum geistliche Übungen generell? Warum sichtbare oder hörbare Frömmigkeit? Es gibt da ein paar zweifelhafte Gründe.
Der erste zweifelhafte Grund: Die Show vor den anderen. Jesus kritisiert es in der Bergpredigt, wenn Leute demonstrativ und mit Leidensmiene fasten. Oder wenn sie aus Gründen der Selbst­dar­stellung öffentlich wortreiche Gebete sprechen.
Der zweite zweifelhafte Grund: Die Show vor Gott. Nehmen wir den Pharisäer in einem Gleichnis Jesu: Der klopft sich im Gebet selbst auf die Schulter wegen seines Fastens und Spendens. Aber vor Gott prahlen, das kommt nicht gut. Statt jetzt jedoch zum großen Pharisäer-Bashing überzugehen, wie es Christen gerne tun, möchte ich eines zu bedenken geben: Wohl kein Mensch, der eine fromme Show vor den anderen oder vor Gott veranstaltet, WEISS DARUM, dass es eine fromme Show ist. Das merken die anderen eher. Der Betreffende versucht nicht nur, die anderen oder Gott zu täuschen, der täuscht vor allem sich selbst. Also: Vor der Kritik an den „Pharisäern“ ist da vielleicht bei Ihnen und bei mir selbst die kleinlaute Frage angesagt: „Herr, bin ich’s?“
Zu der Versuchung, seine Frömmigkeit demonstrativ zu zeigen, hat sich heute noch eine andere gesellt, nämlich: seine Frömmigkeit „demonstrativ“ zu verstecken! Da soll keinesfalls jemand was merken! – Wenigstens in DEM Punkt hatten es die Leute damals etwas leichter …
Warum fasten? Es gibt nicht nur zweifelhafte, es gibt auch GUTE Gründe. Die Pharisäer und die Johannes-Jünger haben eine große Gemeinsamkeit: Sie ersehnen, dass Gottes Reich bald anbricht. Fasten als Sehnsucht und als Bitte an Gott: „Dein Reich komme!“ Darum also die Jünger des Johannes fasten, das wäre damit geklärt.
Und ihre Kernfrage? – Warum fasten die Jünger Jesu NICHT? Ersehnen sie etwa NICHT das Reich Gottes?
Jesu Antwort: Festtagslaune! Feierstimmung! Es ist Hochzeitsfest! Der Bräutigam ist gekommen! Er ist jetzt da!
Klar, damit meint Jesus sich selbst. In seiner Person, in dem, was er sagt und tut, ist das Reich Gottes da! Man kann es auch so sagen: „Ihr, liebe Johannes-Jünger, wartet auf das Reich Gottes. Und da passt es, wenn ihr fastet und bittet! Aber für die, die mir nachfolgen, ist es schon da! – Eingeladen zum Fest des Glaubens!“
„Es wird aber die Zeit kommen, dass der Bräutigam von ihnen genommen wird. Dann werden sie fasten!“ Jesus spricht von der Zeit, wenn er nicht mehr sichtbar unter seinen Jüngerinnen und Jüngern ist. Unsere Zeit. Heute. Also eine klare Anweisung zum Fasten?
Ich finde, da sind wir wieder bei Frage 2 vom Anfang: „Ist Jesus da?“ Sie können das mit Ja, mit Nein und mit Manchmal beantworten. Und immer haben Sie recht! Ob also für Sie Feiern und Jubeln oder Fasten, Bitten, Klagen dran sind – nun, da kann in diesem Augenblick für jeden und jede die Antwort anders ausfallen.
Auf das alte Kleid kommt kein neuer Flicken, und der neue Wein muss in neue Schläuche, sagt Jesus. Sonst geht aller kaputt. Alt zu Alt, Neu zu Neu. Das Neue ist nicht „besser“ als das Alte. Es muss eben nur zueinander passen.
Wein in Schläuchen? Das Bild wird uns fremd sein, und Kleider flicken, das macht auch nicht jeder. Ich sag’s mal so: Sie, meine Dame, gehen nicht mit einem roten Ballkleid auf eine Beerdigung. Und mit dem formgerechten Beerdigungs-Outfit gehen Sie nicht auf eine Hochzeits­feier. Die eine wie die andere Kleidung ist „gut“. Aber beide passen nicht immer und zu allem. Es kommt darauf an, was gerade dran ist.
„Ist Jesus da? Jetzt und hier? Bei Ihnen? Unter uns? In der Welt?“ Je nach dem, wie Ihre Antwort ausfällt, kann für Sie Fasten dran sein oder Feiern; Klagen oder Jubeln; Weinen oder Lachen; Gemeinschaft oder Rückzug; fröhliche Musik oder traurige; laute oder leise Töne. Nichts davon ist „an sich“ schlecht. Nur: Passen sollte es! Stimmig sein! Zu dem, wie es Ihnen um’s Herz ist.
Eine Bekannte, der es gerade schlecht geht, sagte mir: „Ich kann doch jetzt nicht mein wahres Gesicht zeigen, wenn ich von meinem Glauben spreche. Das muss doch fröhlich sein, wenn es einladend sein soll!“ Ich finde: Sie irrt. Sie darf, sie soll ihr wahres Gesicht zeigen. Und Sie, Sie auch! Erlöst von der Pflicht der Verstellung. Wir dürfen „echt“ sein. Und erst recht in Sachen „Glauben“.

Gebet:
Gott, vor Dir darf ich ganz so sein, wie ich bin. Danke! Hilf Du mir gegen die Verstellung und Lüge – dass ich den anderen, mir selbst, ja, sogar Dir, etwas vormachen will. Amen.

Über Dirk Klute

Dirk Klute, Jahrgang 1965. Ich bin promovierter Theologe und Dipl.-Psych., arbeite als Pfarrer in einer Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie und in einer Maßregelvollzugsklinik. Ich lebe in Münster (Westfalen). Ich fahre viel Fahrrad und mache gern Musik.
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